Bertha Rabe (1854 – 1936)

Bertha Rabe (auch Raabe im Beerdigungsregister 1936/353 der Kirchengemeinde Neumünster) wurde am 16. Dezember 1854 in Berleburg geboren. Sie kam als fertig ausgebildete Lehrerin nach Neumünster. Auch das Examen als Schulleiterin hatte sie in Berlin abgelegt und „erwies sich als sehr tüchtig“ (aus: „Neumünster, Stadt ältester Traditionen“, 1966). In Neumünster war sie Leiterin der privaten de Charles’schen Höheren Mädchenschule, Hinter der Kirche 4.

Im Jahr 1888 wurden die privaten Mädchenschulen der Geschwister de Charles, Doris und Christiane, und der Geschwister Laura und Luise Kellermann (seit 1876 geführt von Rektor W. Schmidt) unter der Leitung von Bertha Rabe auf Elternwillen zusammengelegt und bildeten so die Keimzelle für die heutige Klaus-Groth-Schule. Das Schulgebäude befand sich in der Fabrikstraße. 

137 Schülerinnen besuchten die neue Schule in der Anfangszeit, und Bertha Rabe war die Schulleiterin. Es war eine Privatschule mit sechs Klassen, die aber von Bertha Rabe weiter ausgebaut wurde. Das Schulgeld in den Jahren 1888 bis 1892 war gestaffelt und betrug z. B. für die 1. Klasse vierteljährlich 27 Mark. Es war auch eine Seminarklasse für angehende Lehrerinnen mit einem dreijährigen Lehrplan angegliedert. Hier betrug das Schulgeld 30 Mark. 1896 bildete die Elternversammlung einen „Verein der Schulinteressenten“. Dieser Verein bildete ein Kuratorium, das die Schulpflege übernahm. Fräulein Bertha Rabe wurde vom Kuratorium für die Dauer von zwölf Jahren eingestellt, wirksam vom 01. Oktober 1896.

Die Schule zog am 15. Oktober in ein neues Gebäude in die Holstenstraße um (spätere Höhere Handelsschule). Ferner bekam das Lehrerinnenseminar eine jährliche Beihilfe von 1650 Mark vom Magistrat der Stadt. Eine weitere Förderung der Stadt in Höhe von 4800 Mark jährlich führte zu „einigen Misshelligkeiten“ (Holsteinischer Courier vom 10./11. Mai 1958 zum 70-jährigen Bestehen der Höheren Mädchenschule) in der Schule. An die Zahlung dieser Summe von 4800 Mark waren einige Bedingungen geknüpft, die Bertha Rabe und zwei weitere Lehrerinnen so nicht hinnehmen wollten. Zum einen sollte das Lehrerinnenseminar aufgelöst werden, die einzige Möglichkeit für Frauen, als Lehrerin zu arbeiten, da ihnen das Studium an einer Universität nicht offenstand.

Ferner tauchten Pläne auf, die Schule in die Verwaltung der Stadt zu überführen. Mit diesem Schritt wollte man einen vollakademisch ausgebildeten Lehrer als Direktor einstellen. Man bot Bertha Rabe die Stelle als erste Lehrerin an. Diese Bedingungen wollte sie nicht akzeptieren und kündigte ihre Stellung zum 31. März 1901, was auch ihr Ausscheiden aus dem Schuldienst bedeutete. Die Stadt übernahm die Zahlung ihrer Pension. Sie verließ Neumünster, zog nach Trebbin und starb am 22. Februar 1936.

Im Archiv des ev.-luth. Kirchenkreises Altholstein in Neumünster gibt es im Beerdigungsregister 1936, S. 353, für den 21. März den folgenden Eintrag:
 „Auf Veranlassung des Fräulein Frieda Kardel, Neumünster, Steinmetzstr. 20 (?). Einen Behälter beigesetzt im Zeitgrab N.W. Nr. 566, der angeblich die Überreste des Fräulein Bertha Raabe, geb. 16. Dezember 1854 in Berleburg, zuletzt wohnhaft in Berlin W 30, Hohenstaufenstr. 16 III (enthält), die am 22.2.1936 in Berlin gestorben und am 26.2.1936 im Krematorium Berlin-Wilmersdorf verbrannt ist.“

Zum 50-jährigen Bestehen der Klaus-Groth-Schule wurde von ehemaligen Schülerinnen auf dem Friedhof ein Gedenkstein aufgestellt mit der Inschrift „Unserer lieben Schulvorsteherin Bertha Rabe. 1854 – 1936. Ihre Schülerinnen“.

Einige Anmerkungen der Verfasserin:
Eine Urnenbeisetzung war zu damaliger Zeit ungewöhnlich.
Der Gedenkstein ist nicht mehr auffindbar, und das Grab ist wieder neu belegt.

Zum Ansinnen der Stadt, einen vollakademisch ausgebildeten Direktor einzusetzen, ist zu sagen:
In „Die allgemeinen Bestimmungen des königlich preußischen Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten vom 15. Oktober 1872, betreffend das Volksschul-, Präparanden- und Seminar-Wesen nebst den Prüfungs-Ordnungen für Volksschul-Lehrer und Lehrerinnen“, durch den Hauptinhalt der wichtigsten später erlassenen Ministerial-Verfügungen erläutert von E. Sperber, Regierungs- und Schulrat, Zweite, bis 31. Juli 1893 ergänzte Auflage; Ferdinand Hirt, Breslau 1893, heißt es, dass: „…Personen, welche bei Erlass dieser Verfügung aufgrund der ihnen erteilten Erlaubnis an Privatschulen unterrichten oder solche leiten, ohne die dafür jetzt vorgeschriebene Prüfung abgelegt zu haben, sind nicht nur befugt, an der betreffenden Schule weiter zu unterrichten, bzw. dieselbe weiter zu leiten, sondern sie können auch an eine andere gleichartige Schule übergehen, ohne dass sie eine neue Prüfung abzulegen brauchen ..."

Man hätte Bertha Rabe also nicht unbedingt durch einen vollakademisch ausgebildeten Lehrer ersetzen müssen. Insofern wäre es interessant zu wissen, welche Gründe es letztlich waren, dass sie Neumünster und den Schuldienst verließ. Dass sie aber unabhängig hiervon als Pädagogin und als Schulleiterin erfolgreich gewirkt hat sowie als Mensch geschätzt wurde, beweisen die von den ehemaligen Schülerinnen veranlasste Beisetzung ihrer Urne hier in Neumünster und das Erinnern an sie anlässlich des Schuljubiläums zusammen mit dem Setzen des Gedenksteines 26 Jahre nach ihrem Tod.      

Urte Grode
Januar 2018

Quellennachweis

  1. „Neumünster, Stadt ältester Traditionen“ Paul Sieck, Wachholtz-Verlag, 1966; S. 89 (aus Abschnitt zum Thema „Aufbau der Schulen“
  2. „Neumünster Buch“, Hrsg. Irmtraut Engling, Wachholtz-Verlag,1985; S. 133 ff., Beitrag Herbert Engling: „Zur Entstehung des öffentlichen Schulwesens“
  3. Holsteinischer Courier 10./11. Mai 1958: Höhere Mädchenschule vor 70 Jahren eröffnet/Artikel nicht ausgedruckt
  4. Archiv Ev.-Luth. Kirchenkreis Altholstein: Auszug aus Kirchenbuch/Urnenbeisetzung
  5. Stadtarchiv: Bericht über Stand der Gemeindeangelegenheiten 01.04.1884 - 1888, 01.04.1888 – 1892 und 01.04.1892 – 1896; Schulnachrichten; Bericht über die Höhere Mädchenschule zu Neumünster von Ostern 1899, Verfasserin Bertha Rabe/abgespeichert PC Winkler
  6. „Neumünster – Die Geschichte“ ,Dr. R. Ullemeyer, Leuschner-Verlag,1963;  Auszüge  für die Jahre 1850, 1858, 1888