Maßnahmen gegen die Verbreitung der Windpocken in der Freien Waldorfschule Neumünster und dem Waldorfkindergarten Neumünster-Einfeld

Amtliche Bekanntmachung

Allgemeinverfügung der Stadt Neumünster über besondere Maßnahmen gegen die Verbreitung der Windpocken in der Freien Waldorfschule Neumünster und dem Waldorfkindergarten Neumünster-Einfeld vom 26.04.2023

Gemäß §§ 28 Absatz 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit § 106 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG) wird folgende Allgemeinverfügung erlassen:

1.  Allen Personen, die engen, familiären Kontakt zu einer mit Windpocken infizierten Person hatten, ist das Betreten der Freien Waldorfschule Neumünster sowie des Waldorfkindergartens Neumünster-Einfeld, jeweils Roschdohler Weg 144, 24536 Neumünster, inkl. der Außenflächen untersagt. Das Betretungsverbot endet 16 Tage nach dem letzten Kontakt zu der ansteckungsfähig erkrankten Person. Ansteckungsfähig erkrankt ist eine Person, solange noch Bläschen oder Krusten der Windpocken vorhanden sind.

2. Die Anordnung unter 1. gilt nicht für Personen,

         a) die zwei dokumentierte Impfungen vorweisen können oder

         b) die in der Vergangenheit eine Windpocken-Erkrankung durchgemacht haben.

3.  Diese Allgemeinverfügung gilt ab dem 27.04.2023 bis einschließlich dem 26.05.2023.

4.  Die Anordnung ist gemäß § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 lfSG sofort vollziehbar.

5.  Die Allgemeinverfügung findet ihre Grundlage in § 28 Abs. 1 S. 1 lfSG. Zuwiderhandlungen sind daher bußgeldbewehrt nach § 73 Absatz 1a Nr. 6 IfSG.

Begründung

Rechtsgrundlage für die getroffene Maßnahme ist § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 lfSG.

In der Freien Waldorfschule Neumünster und dem Waldorfkindergarten Neumünster-Einfeld wurden über den Zeitraum Januar bis April 2023 eine praktisch ununterbrochene Kette von Infektionen mit Windpocken festgestellt. Die Infektionen erstreckten sich dabei über beide Einrichtungen in unterschiedlichen Klassen und Gruppen. Einzelne Kontakte lassen sich daher nur schwer nachvollziehen. Als erschwerende Faktoren treten hinzu, dass durch die geteilte Fläche Überschneidungen zwischen Schule und Kindertagesstätte auftreten und in beiden Einrichtungen eine deutlich unter dem Durchschnitt liegende Impfquote gegen Windpocken besteht.

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde in dem Fall, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 28a Abs. 1 und 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

Die sehr weite Eingriffsermächtigung des § 28 Abs. 1 Satz 1 lfSG beschränkt sich nicht allein auf Maßnahmen gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern, sondern wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt, dürfen auch „Nichtstörer", d. h. Personen bei denen noch nicht einmal ein Ansteckungsverdacht besteht, in Anspruch genommen werden.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügten Beschränkung ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1, § 28 Abs. 1 lfSG) sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen unterschiedlich sind. Angesichts dessen ist ein am Gefährdungsgrad der jeweiligen Krankheit orientierter flexibler Maßstab heranzuziehen. Nach der Einschätzung des vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 lfSG hierzu vorrangig berufenen Robert -Koch­ Institutes wird die Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung durch Windpocken im Allgemeinen als gering eingeschätzt. Dies ist insbesondere auch auf eine hohe Impfungs- und Immunisierungsquote zurückzuführen, für ungeimpfte Personen ist die Gefahr deutlich höher. Für Schwangere, Neugeborene und immungeschwächte Personen besteht jedoch ein erhebliches Risiko. Daher empfiehlt das RKI grundsätzlich, Kontaktpersonen von dem Aufenthalt in Gemeinschaftseinrichtungen auszuschließen.

Vorliegend kommt es seit nunmehr vier Monaten zu widerholten, nicht konzentrierten Infektionen mit Windpocken. Schon dieser zeitliche Faktor ist auffällig und kann nicht ignoriert werden. Darüber hinaus liegt hier durch die geringe Impfquote eine besondere Situation vor, aufgrund der von einer größeren Gefahr durch die Windpocken als in der Gesamtbevölkerung auszugehen ist. Somit ist von einer gefährlichen Situation auszugehen, die Maßnahmen erforderlich macht.

Das Verbot ist verhältnismäßig. Es ist geeignet, eine weitere Verbreitung des Virus zu verhindern. Es ist auch erforderlich, da kein milderes Mittel ersichtlich ist. Insoweit ist zu beachten, dass der bloße Ausschluss betroffener Kontaktpersonen gegenüber einer vollständigen Schließung als geringer belastendes Mittel anzusehen ist. Weiterhin sind nicht alle Kontaktpersonen betroffen, sondern lediglich solche mit engen Familienkontakten. Auch die Ausnahme nachweislich immunisierter Personen gemäß Nr. 2 führt zu einem vergleichsweise milden Eingriff. Letztlich ist das Verbot auch verhältnismäßig im engeren Sinne, da es die Belange der Schule, der Kindertagesstätte und dessen Benutzerinnen und Benutzer ausreichend berücksichtigt. So bleibt insbesondere ein ordnungsgemäßer Betrieb möglich, da nur die konkret betroffenen Personen ausgeschlossen werden. Da es bisher nicht zu einer ungewöhnlichen Häufung gleichzeitiger Infektionen gekommen ist, ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der gleichzeitig durch diese Allgemeinverfügung betroffenen Personen gering bleibt und es daher nicht zu erheblichen Auswirkung auf den Betrieb der Schule und der Kindertagesstätte kommen wird.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist in elektronischer Form, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stadt Neumünster, Der Oberbürgermeister, Fachdienst Gesundheit, Meßtorffweg 8, 24534 Neumünster einzulegen. Bei der Verwendung der elektronischen Form sind die besonderen Voraussetzungen des § 3 a Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in der jeweils geltenden Fassung zu beachten. Eine einfache E-Mail genügt diesen Anforderungen nicht.

Gemäß § 28 Absatz 3 in Verbindung mit § 16 Absatz 8 IfSG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diese Allgemeinverfügung keine aufschiebende Wirkung.

Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu beantragen. Der Antrag ist beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht, Brockdorff-Rantzau-Straße 13, 24837 Schleswig, zu stellen.

Neumünster, den 26.04.2023

Stadt Neumünster

Tobias Bergmann
Oberbürgermeister