Reden des Oberbürgermeisters

Oberbürgermeister Tobias Bergmann hält in seinem Amt zu vielen Anlässen Grußworte bzw. Reden.
Hier stellen wir Ihnen ausgewählte Reden zum Nachlesen zur Verfügung.

Moin

Danke, dass ihr gekommen seid.

Danke, dass ihr so viele seid.

Danke, dass ihr so bunt seid.

Danke, dass ihr so laut für Demokratie seid.

Danke, dass ihr so laut für Menschenrechte seid.

Neumünster, Schleswig-Holstein, Deutschland braucht euch.

Es gibt Kräfte in unserer Stadt, in unserem Land, die wollen unsere Gesellschaft zerstören.
Diese Kräfte nennen sich AfD oder Heimat Neumünster.

Diese Kräfte wollen, dass meine Nachbarin, euer Arbeitskollege, euer Mitspieler im Sportverein, eure Freundin mit Kopftuch, dass diese Neumünsteranerinnen und Neumünsteraner aus unserer Stadt vertrieben werden. Nicht mit uns. Wir sind mehr.

Diese Kräfte wollen den Wohlstand unserer Stadt zerstören: Was glauben sie denn, was eine Austritt der EU bedeuten würde, für Firmen, für Arbeitgeber, für Gewerbesteuerzahler wie Danfoss? Es reicht denen nicht, Mähdrescher nach Mecklenburg-Vorpommern zu verkaufen. Deshalb sagen wir: Nicht mit uns und wir sind viel mehr.

Diese Kräfte wollen unsere Zukunft zerstören. Sie leugnen den Klimawandel, romantisieren von Blut und Boden. Sie würden unseren Kindern und Enkeln eine unbewohnbare Erde hinterlassen. Nicht mit uns und wir sind viel mehr.

An alle, die AfD und Heimat aus Protest wählen. Aus Protest gegen Menschen wie mich: Einen Politiker einer Altpartei.  Ja – wir Politiker machen nicht alles richtig. Aber ihr Protestwähler müsst wissen. Wenn ihr AfD oder Heimat wählt, dann wählt ihr Faschisten. Und wenn ihr wissen wollt, wohin Faschismus führt, dann lest die vielen Namen der jungen Menschen in unserem Friedenshain.

Wenn wir die Demokratinnen und Demokraten, diejenigen, die Neumünster lieben, zusammenstehen, dann ist mir nicht bang – denn wir sind mehr!

Neumünster bleibt bunt!

Rede von Oberbürgermeister Tobias Bergmann anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar 2024

Sehr geehrte Frau Stadtpräsidentin,

sehr geehrte Mitglieder der Ratsversammlung,

verehrte Gäste!

Meine Damen und Herren!

Wir begehen den Holocaust-Gedenktag 2024 in aufgewühlten Zeiten.

In Potsdam fand vor wenigen Wochen ein Geheimtreffen statt, dessen Agenda beängstigend an die Wannseekonferenz 1942 erinnert.

In unserem Land gehen glücklicherweise tausende Menschen auf die Straße und zeigen, dass sie Demokratie und Freiheit gegen Rassismus und Totalitarismus verteidigen wollen.

Ich hoffe sehr, dass auch Neumünster morgen ein eindeutiges Zeichen setzt.

Gerade wir Deutschen haben eine besondere historische Verantwortung, Demokratie und Freiheit zu verteidigen – und diese Verantwortung wird uns an Tagen wie heute, dem Holocaust-Gedenktag, bewusst.   

Wir gedenken heute aller Opfer der verbrecherischen Ideologie des Nationalsozialismus.

Wir gedenken an diesem Tag aber nicht einer anonymen Zahl von Opfern – wir gedenken an diesem Tag Menschen, Mitbürgerinnen und Mitbürgern, Neumünsteranerinnen und Neumünsteranern, die Opfer der verbrecherischen Ideologie der Nationalsozialisten wurden.

Opfer der Ideologie wurde die Neumünsteraner Familie Weißbaum.

Mit Stolpersteinen auf dem Kuhberg 27 erinnern wir an diese Familie. Die Eltern Edith und Gustav Weißbaum wurden im Februar 1944 in Auschwitz-Birkenau ermordet.

Edith und Gustav Weißbaum waren keine geborenen Neumünsteraner. Sie kamen 1922 in unsere Stadt, weil sie hier, in der Demokratie der Weimarer Republik, die Freiheit fanden, ihr Leben selbst zu bestimmen. Geboren waren beide nämlich in einer polnischen Kleinstadt. Ihre Eltern erlaubten ihnen jedoch nicht zu heiraten, ein jüdisches Schtetl konnte sehr bevormundend sein. Neumünster gab ihnen die Freiheit, zu heiraten und zusammenzuleben.

Die Weißbaums bauten in der Kieler Straße ein Geschäft für Strickwaren auf. Auch heute sind dort viele Geschäfte von Migrantinnen und Migranten.

1924 wurden die beiden Töchter Helmine und Irmgard in Neumünster geboren.

Edith und Gustav Weißbaum waren politisch weitsichtig – sie erkannten früh, welches grauenvolle Unheil sich für sie zusammenbraute.

1925, ein Jahr nach der Geburt ihrer Töchter, wurde die NSDAP Schleswig-Holstein in Neumünster gegründet. 1933 war die Machtergreifung der Nationalsozialisten – am 01. April 1933 gab es den sogenannten „Judenboykott“ auch in Neumünster. An diesem Tag wurden die Geschäfte unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gewaltsam blockiert.

Die Familie Weißbaum flüchtete aus Neumünster. Wo Freiheit und Demokratie verloren gehen, verliert jeder einzelne seine Sicherheit.

Sie flüchteten 1933 nach Holland, fingen dort ein zweites Mal von vorne an und bauten eine Textilfabrik auf. 1936 hatte diese bereits 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was für tüchtige Menschen müssen diese beiden gewesen sein. 1936 wurde ihr drittes Kind, ihr Sohn Benno, geboren.

Doch Holland war nicht weit genug weg, um den Häschern der Nazis zu entkommen.

Im Mai 1940 überfiel Nazideutschland die Niederlande, im August 1942 ging die Familie in den Untergrund. Sie tauchte jedoch nicht gemeinsam unter. Sie trennten sich.

Edith und Gustav wurden in Den Haag versteckt – ein Versteck, das sie in den 1,5 Jahren nie verließen – bis zum 20 Januar 1944.  An dem Tag wurden sie verraten und von den Nazischergen gefasst. Keine drei Wochen später wurden sie in Auschwitz-Birkenau ermordet, ermordet aus dem einzigen Grund, weil sie Juden waren.

Aber – die Geschichte der Familie Weißbaum endet nicht wie so unendlich viele andere Geschichten von unseren Bürgern in der Shoa, im Holocaust, in den Schornsteinen von Auschwitz-Birkenau. Die drei Kinder Helmine, Irmgard und Benno überlebten die Nazidiktatur.

Aber wo sollten sie – mit der Biographie ihrer Familie - denn künftig leben?

Wo sollten sie nach dem Sieg über Nazideutschland und der Befreiung Europas leben? Zurück in ihre Geburtsstadt Neumünster? Die Stadt, wovon deren möglicherweise letzten Kindheitserinnerungen rassistische Anfeindungen waren? In das Land der Mörder ihrer Eltern? – Nein.

Sollten sie in ihrem ersten Exil in Holland bleiben – ein Exil, was die Eltern weise 1933 bereits gewählt hatten – was sicher ihre neue Heimat wurde, aber was sich auch nicht als sicher erwies, ein Exil in dem ihre Eltern verraten wurden, aus dem sie deportiert und ermordet wurden. Auch das war für die drei keine Option.

Mit ihrer persönlichen Lebenserfahrung wurden diese drei Zionisten, Anhänger der Idee, dass Jüdinnen und Juden einen selbstständigen Nationalstaat in Palästina brauchen. Das historische Wissen, dass Juden nie und nirgends langfristig sicher sein können. Die drei migrierten deshalb nach Palästina noch vor der Staatsgründung und wurden 1948 mit der Staatsgründung Israels israelische Staatsbürger.

Ohne die Shoa würden die Weißbaums vielleicht noch immer hier in Neumünster leben, würden die Kultur, die Wirtschaft und das Leben unserer Stadt bereichern. Dieser Verlust für unsere Gesellschaft ist unwiederbringlich.

Für die Weißbaums – die Kinder, Enkel und Urenkel – wurde Israel ihre Heimat. 

Im Dezember 2015 kamen neun Enkel und Urenkel nach Neumünster. Sie wurden im alten Ratssaal empfangen und nahmen an der Verlegung der Stolpersteine am Kuhberg teil.

Mir fiel ein Foto über diese Besuchergruppe in die Hände – und als ich die Gesichter sah, fragte ich mich sofort: Wie geht es den Weißbaums heute, wie geht es der Familie nach dem 07. Oktober und dem barbarischen Überfall der Hamas?

Diese Frage wurde beklemmend, als ich die drei damaligen Kinder musterte.

Die Mädchen Netta damals 9 Jahre und Einav damals 12 und der Junge Nir damals auch 12 Jahre alt. 

Diese drei sind heute in einem Alter, in dem typischerweise israelische junge Menschen ihren Wehrdienst absolvieren, Männer und Frauen. Und junge Menschen besuchen gerne in diesem Alter Musikfestivals. Wie geht es diesen dreien – habe ich mich gefragt.

Ich konnte mit Unterstützung von Frau Winkler und Herrn Dr. Obst Kontakt zur Tante aufnehmen – Edith Margalit-Hecht. Edith war auch damals in dieser Besuchergruppe, eine Tochter von Helmine.

Edith konnte mich beruhigen: Alle Weißbaums sind wohlauf.

Edith Margalit-Hecht berichtete mir, dass der Besuch in Neumünster vor acht Jahren ein bedeutendes Familienereignis war. Edith hat noch einmal nach diesen vielen Jahren ihre Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht, wie Neumünster ihre Familie würdigt. Diesen Dank gebührt den damaligen Verantwortlichen, insbesondere meinem Amtsvorgänger Herrn Dr. Tauras und Ihnen, Frau Schättiger.

Edith Margalit-Hecht war sehr interessiert, wie Neumünster auf die Ereignisse im Nahen Osten blickt. Ich habe Edith Margalit-Hecht über die aktuellen Diskussionen zum 07. Oktober und darüber hinaus hier in Neumünster berichtet. Über unsere Kundgebung am 09. November, auf der wir Kerzen auf dem Großflecken im Gedenken an die Opfer des Hamas-Terrors angezündet haben, über die Resolution, die in der Ratsversammlung mit den Stimmen der demokratischen Parteien verabschiedet wurde und die Familie Weißbaum sah auch das Bild mit der Israel-Fahne in unserem Ratssaal.

Edith Margalit-Hecht schrieb mir: „Wir Israelis und Juden in und außerhalb Israels sind traumatisiert (ich benutze bewusst dieses Wort) von dem unfassbaren Abschlachten durch die Hamas und von den anti-israelischen/antisemitischen Demonstrationen in der Welt. Das Gefühl der Sicherheit ist verloren. Nicht einmal in Israel sind wir sicher. Deshalb ist ein Mitgefühl so wohltuend.“

Alle Weißbaums sind wohlauf.

Fünf Weißbaums dienen in diesen Tagen, in diesen Stunden in der israelischen Armee.  

Die Familie hat dennoch einen schrecklichen Verlust erlitten. Stav Barazani war die Cousine des Schwiegersohnes von Edith. Stav Barazani war mit ihrem Freund auf dem Nova Festival an der Grenze zu dem Gaza-Streifen. Das Festival wurde von der Hamas überfallen, Stav wurde auf unvorstellbar barbarische Weise ermordet.

Die Geschichte der Familie Weißbaum zeigt uns Neumünsteranerinnen und Neumünsteranern auf eindringliche Weise wie die Ereignisse heute in Israel und im Gaza mit der Geschichte unserer Stadt verwoben sind. Was es bedeutet, eine historische Verantwortung zu haben.

Ein glückliches Leben von Edith und Gustav Weißbaum wurde in der Shoa ausgelöscht. Wir gedenken ihrer heute.

Wir gedenken heute aller Opfer der verbrecherischen Ideologie des Nationalsozialismus, aller Menschen, die um ihre materielle, seelische und physische Existenz gebracht und ihrer Würde beraubt wurden, der Verfolgten, Gemarterten, Gedemütigten, Ermordeten: Wir gedenken der europäischen Juden, Sinti und Roma, der zu „Untermenschen“ degradierten slawischen Völker, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, dem Hungertod preisgegebenen Kriegsgefangenen, der Opfer staatlicher Euthanasie, der Homosexuellen, aller, die sich aus religiösen, politischen oder schlicht menschlichen Beweggründen dem Terror widersetzten und deswegen der totalitären Staatsgewalt zum Opfer fielen. Wir gedenken der Millionen und Abermillionen Toten.

Wir gedenken auch der Überlebenden, derjenigen, die an dem Grauen der Unmenschlichkeit seelisch zerbrochen sind.

Ihnen allen zum Gedenken möchte ich das jüdische Gebet El Male Rachamim sprechen:

"G'tt, du bist voller Erbarmen. Wir beten für die Seelen der sechs Millionen Frauen, Männer und Kinder und allen Opfern der Shoah, die verbrannt und umgebracht worden sind.

In Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Majdanek, Mauthausen,  Neuengamme, Ravensbrück, Sachsenhausen, Sobibór, Theresienstadt, Treblinka.

Gewähre ihren Seelen Ruhe in deiner Nähe, im Kreise der Gerechten und Reinen. Möge G'tt, der Barmherzige, sie für alle Zeiten unter seinen Schutz stellen und sie in den Bund des ewigen Lebens einschließen. Mögen sie im Garten Eden in Frieden ruhen.

So sprechen wir: Amen!"

Rede des Oberbürgermeisters Tobias Bergmann anlässlich der Ordensverleihung „Amici Laetitiae“ – Freunde des Frohsinns – vom Rhenania-Carneval-Club von 1902 e.V. am 26. Januar 2024

Liebe Ritterschaft, Damen, Herren, Jung und Alt,
heut' stehe ich hier, zum Ritter geschlagen, stolz und bald.
Der "Amici Laetitiae"-Orden schmückt nun mein Gewand,
ein Moment, das ich teile mit euch, im ganzen Land.

Von gelben, grünen, schwarzen und roten Geschichten,
möchte ich euch nun erzählen, in fröhlichen Gedichten.

Konrad Adenauer, der erste schwarze Ritter, gebürtig vom Rhein,
Ein Held aus alter Zeit, sein Ruhm soll ewig sein.
Doch heute steht vor uns ein Ritter, so schwarz und stark,
Ingo Sander, der durch Mut und Humor fand seinen Park.

Vom kleinen Kronshagen bis ins große Reich,
Vom Bürgermeister zum Landrat, das ist sein ewiger Vergleich.
Doch schau ich auch auf Ingo Sander mit Respekt,
ein Vorbild, mutig, mit Humor und Intellekt.

Rendsburg-Eckernförde, so groß wie das Saarland,
im Westen Dithmarschen, im Norden Flensburg entspannt.
Die Küste entlang, die Ostsee so nah,
ein Reich mit Aufgaben, für Sander ganz klar.

In Ritterrunden, Hr. Günther, noch nicht adlig verklärt,
Auf der Bühne, Layla, das Lied, das er erklärt.
Layla auf der Kieler Woche, für mich ein humorloses Spiel,
Wahre Ritter brauchen mehr Stil.

Von roten Rittern will ich nun erzählen,
Heide Simonis, möge sie immer unser Gedächtnis beseelen.
Die erste Ministerpräsidentin, stark und klar,
Mit auffälligen Hüten, in der politischen Schar.

Mit Worten deutlich, mit Charme versehen,
Eine rote Ritterin, in der Politik zu sehen.
Geschichte hat sie geschrieben, sie kam viel umher,
Heide Simonis, die Ritterin, wir vermissen und ehren sie sehr.

Ulf Kämpfer, ein Ritter in rotem Gewand,
Als Kiels Oberbürgermeister, stark und bekannt.
In 2024 steht eine Entscheidung bevor,
Eine weitere Amtszeit? Das fragt er sich, im Ohr.

Die roten Banner wehen, die SPD ist sein Heer,
Ein Ritter in der Stadt, von Amts wegen, so sehr.
Die Landespolitik lockt, wie ein fernes Licht,
Eine Option, die Ulf Kämpfer im Herzen spricht.

In Berlin, da steht Habeck, der grüne Ritter wach,
Seine Festung, von Landwirten belagert, ach!
Mit Wärmepumpen verteidigt er sich geschwind,
Doch sein Herz, es ist eher traurig gesinnt.

Einst Prinz Bio-Eisenherz, so stolz und klar,
Jetzt Don Quijote, kämpft er für Windmühlen, fürwahr.
Die Landwirte protestieren, rufen laut,
Doch Habeck verteidigt, bleibt unbeirrt, uns vertraut.

Kein stolzer Ritter, sondern traurig im Sinn,
Er kämpft für Ideale, doch wo ist für uns Gewinn?
Die Windmühlen drehen sich, in der politischen Schlacht,
Habeck, der Ritter, in der grünen Pracht.

Zum Abschluss sei gesagt, wir sind stolz und bunt erzogen,
Gelb, grün, schwarz und rot, bunt wie der Regenbogen.
Doch keine braunen Ritter sind in diesem Kreis,
verraten Werte, den Respekt und reden sehr viel…

Gemeinsam stehen wir stark, Hand in Hand,
Gegen die, die spalten, das ist unser Band.
In dieser bunten Truppe, vereint und bunt,
Halten wir fest, im Widerstand gesund.

So schwingen wir das Schwert des "Amici Laetitiae"-Ordens,
für Humor, Tatkraft und Werte, seid stolze Akteure, nicht nur des Wortes.
Dank sei euch allen, für eure Zeit und euer Lauschen,
lasst uns feiern, tanzen, lachen, in bunten Farben rauschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir gedenken heute der Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Ich danke Ihnen sehr für Ihr Kommen; ich danke Ihnen auch im Namen der Stadtpräsidentin Anna-Katharina Schättiger und der Ratsversammlung.

Mein besonderer Dank geht heute an die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10a der Hans-Böckler-Schule und ihrer Lehrerin Beatrice Gade-Loßek, die ihre Gedanken zum Thema Krieg und Frieden einbringen werden.

Wir begehen den Volkstrauertag 2023 unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine – ein Krieg, der jetzt schon in seinen zweiten Winter geht und dessen Auswirkungen auch in unserer Stadt zu spüren sind.

Wir begehen den Volkstrauertag unter dem Eindruck der schrecklichen Bilder aus Israel und dem Gaza-Streifen, die uns tagtäglich erreichen. Ein Krieg, der die Menschen in unserer Stadt wie kaum ein anderes Thema bewegt, aufwühlt und zu spalten droht.

Der Volkstrauertag war in seinem dunklen Kapitel der Geschichte ein Heldengedenktag – ein Tag der nationalistisch war, der aufgerechnet hat, der gespalten hat. Dieser Heldengedenktag ist Gott sei Dank Geschichte. Der Heldenhain ist hier heute ein Friedenshain.

Der Volkstrauertag betont das Verbindende. Das gemeinsame Gedenken an das Leid, was Krieg und Gewalt hervorruft – lassen Sie uns gerade in dieser Zeit das Verbindende suchen.

Ich persönlich begehe diesen Volkstrauertag 2023 unter dem Eindruck meines Besuches in Novovolynsk in der Ukraine im August.

Krieg war für mich bis dahin etwas Abstraktes, etwas Theoretisches. Frieden war für mich, wie für alle Europäer meiner Generation eine Selbstverständlichkeit. 

Ich musste diesen Sommer das erste Mal das Heulen der Sirenen hören, mit dem Wissen, dass es jetzt keine Übung ist, sondern mit der Gewissheit und der Angst, dass in diesen Minuten Flugzeuge oder Raketen aufgestiegen sind, die Tod und Verderben bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

in Novovolynsk ist, wie in der ganzen Ukraine, jeden Tag Volkstrauertag.

Jeden Vormittag um 09:00 Uhr treffen sich mehr als hundert Menschen vor dem Rathaus. Es bedarf dazu keines Aufrufs. Es treffen sich Menschen, die um ihre gefallenen Angehörigen, Freunde, Verwandte trauern und die um ihre Angehörigen an der Front bangen.

An die Gefallenen erinnern keine verwitterten Steine wie hier im Friedenshain. An die Gefallenen erinnern Stelen mit den Bildern der jungen Frauen und Männer. Die Geburtsjahre liegen nicht in den fernen Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts, sondern sind fast alle nach meinem Geburtsjahr.

Der Stelenpark ist nicht abgeschlossen – jede Woche kommen neue Stelen dazu, werden Söhne und Töchter, Väter und Mütter, Freunde und Bekannte, Kolleginnen und Kollegen zu Grabe getragen.

Wenn ich mit diesen Bildern hier am Friedenshain stehe, bin ich unendlich dankbar, dass hier in den letzten Jahrzehnten keine neuen Namen hinzugekommen sind, dass die Namen verwittert sind, dass wir keine neuen Steine gebraucht haben.

Aber wir müssen diesen Volkstrauertag mit der erneuten Gewissheit begehen, dass dieser Frieden keine Selbstverständlichkeit ist, dass er außerhalb von Europa nie war.

Mit diesem Wissen gedenken wir heute am Volkstrauertag der vielen Opfern aller Völker von Kriegen:

Wir gedenken der Soldatinnen und Soldaten, die im Krieg kämpften und ihr Leben ließen.

Wir gedenken der zivilen Opfern von Krieg und Gewalt, der Menschen, welche gejagt und getötet wurden, nur weil sie eine andere Religion lebten, einem anderen Volk oder Gruppe angehörten.

Wir gedenken derer, die sich gegen Gewaltherrschaft aufgelehnt haben, an ihren Überzeugungen oder ihrem Glauben festhielten und dabei den Tod fanden.

Wir gedenken der Opfer von Terrorismus oder Fremdenhass.

Wir gedenken der Neumünsteranerinnen und Neumünsteranern, die Opfer in den beiden Weltkriegen wurden.

Wir gedenken der Neumünsteranerinnen und Neumünsteranern, die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden.

Wir gedenken der Ukrainerinnen und Ukrainer, die Opfer des russischen Angriffskrieges wurden.

Wir gedenken der Russinnen und Russen, die von ihrem Präsidenten Putin verheizt werden.

Wir gedenken der israelischen Opfer des bestialischen Überfalls der Hamas.

Wir gedenken der palästinensischen Zivilisten, die als menschliche Schutzschilde missbraucht, Opfer der israelischen Armee im Gazastreifen wurden.

Wir gedenken heute an der Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

ich darf Sie heute, auch im Namen der Stadtpräsidentin, herzlich zum Einbürgerungsempfang willkommen heißen.

Wenn ich mich heute in diesem Saal umsehe, blicke ich in viele verschiedene Neumünsteraner Gesichter: Hier sind aber nicht nur Bürgerinnen und Bürger aus ganz Neumünster versammelt – sondern irgendwie fühlt es sich auch so an, als wäre der halbe Erdball vertreten.

Denn einige von Ihnen haben ihre Wurzeln in allen möglichen Teilen Europas, aus anderen Kontinenten; ich treffe hier Neumünsteranerinnen und Neumünsteraner, die aus Afghanistan oder aus der Türkei stammen, aus der direkten Nachbarschaft oder vom anderen Ende der Welt.

Wir alle haben jedoch eines gemeinsam: Wir besitzen einen deutschen Pass.

Sie besitzen ihn seit einem Jahr, seit einigen Monaten oder seit wenigen Wochen – und Sie besitzen ihn, weil Sie ihn unbedingt haben wollten.

Eine neue Staatsangehörigkeit bekommt man nämlich nicht geschenkt, man muss sie sich hart erarbeiten: Um den Pass schließlich ausgehändigt zu bekommen, mussten Sie Formulare ausfüllen und Dokumente einreichen; Sie mussten nachweisen, dass Sie die deutsche Sprache sprechen und sich seit mindestens acht Jahren rechtmäßig hier aufhalten; Sie mussten belegen, dass Sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können und nicht wegen einer Straftat verurteilt wurden.

Darüber hinaus mussten Sie sich dem Einbürgerungstest unterziehen, das ist eine Art Staatsbürger-Quiz mit 33 Fragen. 60 Minuten hatten Sie Zeit, mindestens 17 Fragen richtig zu beantworten; Fragen zu den Themenbereichen „Leben in der Demokratie“, „Geschichte und Verantwortung“, „Mensch und Gesellschaft“ sowie landesbezogene Fragen.

Ich habe mal einen Blick in den Fragenkatalog geworfen und mit der Frage, was die Menschen in Deutschland sehr lange als „die Stunde Null“ bezeichneten, hätte auch so mancher geborene Deutsche sicherlich seine Probleme gehabt. Schließlich musste jeder Erwachsene insgesamt 255 Euro bzw. jedesminderjährige Kind 51 Euro an Gebühren bezahlen, um den Pass am Ende in den Händen zu halten. Man kann also mit Fug und Recht behaupten: Es war Ihnen eine Menge Mühe, Zeit und Geld wert, deutscher Staatsbürger zu werden.

Die Motive mögen dabei ganz unterschiedlich sein: Manche wollten einfach gewisse Erleichterungen im Alltag, sei es bei der Arbeitssuche oder im Umgang mit Behörden, andere möchten künftig unkomplizierter und ohne Visum verreisen, wieder andere hatten das tiefe innere Bedürfnis, endlich voll und ganz dazuzugehören.

Wenn eine frisch gebackene deutsche Staatsbürgerin oder ein neuer deutscher Staatsbürger die Urkunde abholt, erleben wir regelmäßig hier im Hause, dass die ganze Familie mitkommt und dass sogar Tränen fließen. Manche feiern den Tag ihrer Einbürgerung wie eine Hochzeit oder eine Taufe.

Wenn ich diese Geschichten höre, bin ich stolz, mit wie viel Emotionen und Begeisterung Menschen sich zu unserem Land und zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen – und ein Stück weit ja auch zu Neumünster.

Im gleichen Moment ärgere ich mich ein bisschen: Denn aktuell neigen wir in Deutschland leider dazu, den Heimatbegriff furchtbar engstirnig zu definieren.

Wenn ich höre, was in Politikerreden, in so genannten Heimatministerien und vor allem in den sozialen Netzwerken teilweise abgesondert wird, dann frage ich mich: Welcher Heimatbegriff liegt dieser Haltung eigentlich zugrunde?

Für mich ist Heimat kein Wort, das sich dazu eignet, andere zu distanzieren oder auszugrenzen. „Heimat ist Tiefe, nicht Enge“, sagte auch ein österreichischer Politiker bereits vor Jahrzehnten. Sie alle werden das auf die eine oder andere Weise empfunden haben, als Sie den Antrag stellten, deutscher Staatsbürger zu werden. Doch Sie haben mit diesem Schritt nicht Ihre Identität und Ihre Wurzeln komplett aufgegeben.

Was Sie als Heimat empfinden, mag Neumünster und Deutschland umfassen, aber es lässt sich auch nie ganz trennen von Ihrem Herkunftsland oder von den Ursprüngen Ihrer Familie.

Die kulturelle Vielfalt, die Sie in unsere Gemeinschaft bringen, bereichert uns alle. Wir sind stolz darauf, dass unser Land eine Vielzahl von Kulturen und Traditionen in sich vereint. Wir sehen in dieser Vielfalt eine Chance und eine Stärke für unsere Gesellschaft.

Zum Abschluss meiner Rede habe ich noch eine letzte, wirklich beeindruckende Zahl:  Im letzten Jahr haben sich in Neumünster 146 Menschen einbürgern lassen. 146 Mal ist da die schwierige persönliche Entscheidung gefallen, die Einbürgerung mit allen Mühen und mit allen Konsequenzen selbstbewusst durchzuziehen – dafür habe ich großen Respekt und gratuliere Ihnen zu diesem Entschluss.

Woran wir als Stadt aber noch definitiv stärker arbeiten müssen, ist die Anzahl der vollzogenen Einbürgerungen. Denn wir müssen uns auch der Tatsache stellen, dass heute noch 423 Haushalte bzw. 729 Personen auf eine Einbürgerung warten.

Um die Wartezeit deutlich zu verkürzen, wurde mit Beschluss der Ratsversammlung für dieses Jahr eine weitere Stelle genehmigt, die künftig die bisherige einzige Mitarbeitende unterstützen wird. Ich hoffe damit sehr, dass sich die Anzahl der vollzogenen Einbürgerungen bestenfalls verdoppeln wird, um damit auch die Situation für die wartende Bevölkerung deutlich zu entspannen.

Sie haben diesen Weg bereits erfolgreich beschritten.

Willkommen heißen muss ich Sie nicht mehr, denn Sie sind schon lange ein Teil dieses Landes und ein Teil unserer Stadt Neumünster: Manche von Ihnen sind sogar hier geboren – in anderen Ländern hätte alleine das genügt, um die Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Vor diesem Hintergrund wirkt der Pass, der Ihnen allen zu Recht viel bedeutet, dann doch nur wie ein Stück Papier – denn natürlich verändert er Sie nicht als Menschen.

Sie gehören zu Neumünster, aber das war auch schon vorher so. Sie dürfen sich als Teil dieser Stadtgesellschaft fühlen, aber das hängt nicht allein an Ihrem Pass. Denn es gibt viele Mitbürgerinnen und Mitbürger, die längst in unserem Land und in unserer Stadt angekommen sind, aber nicht – oder noch nicht – Deutsche werden möchten.

Sie alle hier im Saal haben diesen Schritt gewagt – und ich möchte gerne mehr über Ihre Beweggründe erfahren. Sie können stolz darauf sein, dass Sie die Einbürgerung erfolgreich abgeschlossen haben. Es ist eine Leistung, die nicht jeder erreicht.

Ich freue mich darauf, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen. Denn hinter jedem Neumünsteraner Gesicht, in das ich blicke, steckt eine Geschichte: Es wäre schön, einige dieser Geschichten zu hören.

Liebe Neumünsteranerinnen, liebe Neumünsteraner,

ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen ein gutes Jahr 2023. Diesen Wunsch überbringe Ihnen auch im Namen der Stadtpräsidentin, der Ratsversammlung, des Verwaltungsvorstandes und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Neumünster. Ich freue mich, sie alle zum diesjährigen Neujahrsempfang der Stadt Neumünster hier im Museum Tuch und Technik persönlich begrüßen zu dürfen.

Ich freue mich, dass so viele unserer Einladung gefolgt sind.

Ich freue mich auf die Gespräche mit Ihnen.

Ich freue mich auf die musikalische Begleitung durch die Flamenco-Rock-Formation „Soltoros “ – und vielen Dank an alle, die diesen Abend möglich machen.

Dem Vorbereitungsteam, den Musiker:innen, dem Gebärdendolmetscher, dem Team des Restaurants Johann & Amalia.

Dies ist der 19. Neujahrsempfang und es sollte jedoch bereits der 21. sein. COVID hat uns da in den letzten beiden Jahren einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber bei aller Bedeutung des Neujahrsempfangs der Stadt Neumünster, das war sicher nicht der schmerzhafteste Einschnitt, den diese Pandemie in unserem Leben verursacht hat.

133 Neumünsteranerinnen und Neumünsteraner haben durch oder mit COVID ihr Leben verloren. Unsere Gedanken sind auch in diesem Augenblick bei den Angehörigen.

Aber auch wenn die meisten COVID gesundheitlich gut überstanden haben, spüren heute noch viele die Folgen der Pandemie und des Lockdowns. Wir Menschen brauchen soziale Kontakte, Treffen wie dieses hier heute Abend, die Abende mit Freundinnen und Freunden, den Sport im Verein, den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen an der Kaffeemaschine. Diese haben wir schmerzlich vermisst, viele Kontakte sind verschüttet gegangen, und darum ist es wichtig, dass das soziale Leben wieder beginnt.

Besonders belastet waren durch die Pandemie und die Lockdowns diejenigen, die gesundheitlich davon am wenigsten gefährdet waren: Unsere Kinder und Jugendlichen. Homeschooling ist kein Ersatz für Schule und wie kann man die Welt entdecken und erkunden, wenn man eingesperrt ist. Da gibt es jetzt viel nachzuholen und dieses Nachholen wollen wir ermöglichen.

Aber COVID hat uns auch eines gelehrt. Wir können solche Krisen meistern.

Wer hätte gedacht, dass wir unser Wirtschaftssystem über Monate drosseln oder stilllegen können, ohne dass wir in eine tiefe Rezession schlittern. Wer hätte darauf gewettet, dass der wirkungsvollste Impfstoff gegen COVID aus Deutschland stammen wird. Und ja – unsere Entscheidungswege in einer Demokratie waren verworren, die Regeln oft undurchsichtig und manchmal auch zu langsam. Aber, wenn ich dieser Tage nach China schaue und das Scheitern der brachialen Null-Covid-Strategie sehe, dann bestärkt mich die Überzeugung.

Plurale und demokratische Gesellschaften können solche Krisen besser meistern als Diktaturen. Und auch in Neumünster haben wir viel richtig gemacht. Wir haben ein Impfangebot aufgebaut und aufrechterhalten. Die Neumünsteranerinnen und Neumünsteraner haben dies angenommen. Durch die Krise haben uns zwei Prinzipien geleitet: Zusammenhalt und Zuversicht.

Zusammenhalt: Keiner und keine konnte diese Krise alleine überwinden, sondern wir sind zusammengestanden, haben aufeinander Rücksicht genommen und den anderen geholfen. Meine Freunde haben für mich während meiner Erkrankung gekocht, meine Kollegen haben mir Wittorfer Bier vor die Tür gestellt. Und ich bin mir sicher, auch Sie haben solche Erlebnisse des Zusammenhaltes erfahren dürfen.

Und Zuversicht – auch als der Impfstoff noch fern war, haben wir nie den Glauben aufgegeben, dass wir diese Pandemie überwinden werden.

Wenn ich einen Wunsch für unsere Stadt habe, wenn ich einen Wunsch an Neumünster habe, nicht nur für dieses Jahr dann ist es dieses eine: Lassen Sie uns diesen Zusammenhalt und diese Zuversicht bewahren.

Denn, liebe Neumünsteranerinnen, liebe Neumünsteraner,

diesen Zusammenhalt und die Zuversicht brauchen wir auch in Zukunft – brauchen wir auch in 2023. Denn das Jahr 2022 war geprägt durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dieser Krieg wird auch 2023 prägen.

Dieser Krieg war nicht 1.000 Kilometer entfernt, sondern er beeinflusste vom ersten Augenblick unseren Alltag in Neumünster. In unserer Stadt leben 1.053 Menschen, die ihre Wurzeln in Russland oder der Ukraine haben. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt einen Schülerpraktikanten, dessen Mutter gebürtige Ukrainerin ist, sein Vater gebürtiger Russe. Es ist für mich auch heute noch kaum vorstellbar, was es für einen jungen Neumünsteraner bedeutet zu wissen, dass das Leben seiner Cousins auf verschiedenen Seiten in diesem Krieg aufs Spiel gesetzt wird.

Aber auch in dieser Situation zeigte sich wieder unser Zusammenhalt. Es gab nie den Hauch eines Zweifels, dass auch wir Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen werden.

Über Nacht wurde die Sporthalle der Grund- und Gemeinschaftsschule Brachenfeld zu einer Notunterkunft hergerichtet. Diese schnelle Handhabung konnte nur mit Unterstützung des Deutschen Roten Kreuzes, der Freiwilligen Feuerwehr, den Regieeinheiten der Stadt, des Malteser Hilfsdienstes und der Diakonie erfolgen, denen wir hiermit erneut einen großen Dank aussprechen möchten.

Und alle, für die es zum guten Ton gehört, abfällig über die Arbeitsmoral im öffentlichen Dienst zu lästern, hätten in diesen Tagen den Einsatz unserer Kolleginnen und Kollegen der Berufsfeuerwehr und unserer Verwaltung sehen sollen, wie sie bis an den Rand der Erschöpfung für diese Menschen, die dem Krieg entkommen sind, gearbeitet haben.

Eine Turnhalle ist eine Erstunterkunft, aber kein Zuhause. Wir wollten die Turnhalle so schnell als möglich wieder an die Schülerinnen und Schüler der Grund- und Gemeinschaftsschule Brachenfeld zurückgeben.

Daher waren wir dringend auf Wohnungsangebote von Privatleuten und Wohnungsbaugesellschaften angewiesen. Und auch diese Unterstützung haben wir nach unserem Ukraine-Gipfel mit den Wohnungsunternehmen, dem Eigentümerverband „Haus und Grund“ bekommen. Auch hierfür möchte ich einen großen Dank allen Beteiligten aussprechen. 

Unsere Solidarität machte jedoch an unseren Stadtgrenzen nicht halt. Fünf Lkw-Transporte mit Hilfsgütern sind aus Neumünster in die Ukraine gefahren.

Aber es sind nicht nur Hilfsgüter, die uns mit der Ukraine verbinden. Nicht zuletzt dank meiner Kollegin Marta Melnik entwickelte sich eine enge Beziehung zur Stadt Nowowolynsk in der Westukraine. Im Juli/August haben wir vier Jugendcamps für 120 Kinder und Jugendliche aus Nowowolynsk in Zusammenarbeit mit dem SV Tungendorf und der Verwaltung unter Federführung des Jugendverbands Neumünster organisiert.

Dieser Austausch war nicht nur ein Gewinn für die Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine, die nach langer Zeit zwei Wochen ohne Sirenenalarm unbeschwert am Stocksee schwimmen konnten. Dieser Austausch war auch ein großer Gewinn für unsere Neumünsteraner Kinder und Jugendliche, die neue Freundschaften schließen konnten. Auch deshalb planen wir auch 2023 diesen Jungendaustausch weiterzuführen.

Deshalb gehen bereits heute meine Neujahrsgrüße auch nach Nowowolynsk – genauso wie an unsere Partnerstädte Koszalin, Gravesham und Parchim.

Als kommunale Selbstverwaltung und Verwaltung von Neumünster sind wir nicht für die große internationale Politik verantwortlich. Aber wir wissen, dass die großen globalen Krisen unmittelbare Auswirkungen auf unser Leben in Neumünster haben.

Selbst wenn wir es wollten, könnten wir uns nicht von den Flüchtlingsströmen dieser Welt abschotten.

Deshalb betreffen uns Kriege und Krisen in fernen Ländern, sei es Syrien, Eritrea oder die Taliban-Diktatur in Afghanistan. Die Menschen, die verzweifelt vor diesen Kriegen und Krisen flüchten, treffen wir früher oder später auf dem Großflecken.

Auch deshalb erkläre ich meine Solidarität den Menschen im Iran in ihrem Kampf gegen das Mullah-Regime. Diese Menschen, diese Frauen kämpfen für eine Zukunft in ihrem Land.

Liebe Neumünsteranerinnen, liebe Neumünsteraner,

der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat unmittelbare Auswirkungen auf das Leben von jeden einzelnen von uns.

Wir alle haben mit den enorm gestiegenen Energiekosten zu kämpfen. Die Folgen sind unter anderem kalte Wohnungen, runtergedrehte Heizungen und Existenzängste. Das trifft aber vor allem jene, die ohnehin schon wenig haben. 

Ich bin deshalb erleichtert, dass mit Jahresbeginn die Bundesregierung die Wohngeldreform in Kraft gesetzt hat.

Das hat zwei Auswirkungen:

Zum einen wird mit einer durchschnittlichen Erhöhung des Wohngeldes um rund 190 Euro gerechnet.

Zum zweiten wird der Kreis der Anspruchsberechtigen sich deutlich ausweiten. Wir haben heute gut 1000 Wohngeldempfänger – wir rechnen damit, dass wir in zwei Wochen jedoch zwischen 4.000 und 5.000 Anspruchsberechtigte haben werden. Als Verwaltung haben wir darauf reagiert, wir informieren gemeinsam mit dem Jobcenter seit Herbst letzten Jahres und wir konnten unser Personal auch dank des Beschlusses der Ratsversammlung bereits aufstocken. Aber natürlich können wir nicht garantieren, dass alles reibungslos laufen wird – wir werden unbürokratische Lösungen weitersuchen.

Aber lassen Sie mich an dieser Stelle auch eines betonen. Wohngeld ist eine Leistung, auf die jede Bürgerin und jeder Bürger bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch hat. Es braucht daher niemand ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man auf diese Leistungenangewiesen ist. Und auch hier gilt wieder: Wir müssen als Stadtgesellschaftzusammenhalten. Deshalb bin ich dankbar über alle Initiativen der Ehrenamtlichen der Wohlfahrtsverbände der Freundeskreise – in denen wir niemanden alleine lassen.

Meine Damen und Herren,

auch wir als Stadt Neumünster müssen unseren Beitrag für die Bewältigung der globalen Risiken leisten. Und das vielleicht größte Risiko in der Menschheitsgeschichte ist der Klimawandel. Die Ratsversammlung hat bereits im Oktober 2019 den Beschluss gefasst, dass Neumünster bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden soll. Wir haben den Klimanotstand ausgerufen. Und wenn wir in diesem Beschluss von Neumünster sprechen, dann meinen wir damit nicht nur die Stadtverwaltung Neumünster – wir meinen die ganze Stadt mit allen Haushalten und Unternehmen, mit seiner Mobilität und seinem Konsum.

Um die Erfolge der Stadt Neumünster im Klimaschutz sichtbar zu machen und weitere Handlungsbedarfe aufzuzeigen, nimmt die Stadtverwaltung gemeinsam mit ihren städtischen Beteiligungen seit Juli 2020 am European Energy Award teil.

Denn es war sicher ein Manko des ambitionierten Beschlusses, im Zeitraum 2019 bis 2035 klimaneutral zu werden, ohne zu wissen, was das genau bedeutet.

Mit den bisherigen Fortschritten bin ich nicht zufrieden. Wir müssen weg von Symbolpolitik wie Klimawetten kommen und tatsächliche Fortschritte erreichen.

Dazu müssen wir als Stadt mit gutem Beispiel vorangehen. Und eines dieser Beispiele wird diese Stadthalle werden. Die Dr. Uwe Harder-Stadthalle ist wunderschön. Expert:innen sagen, die Akustik kann sich mit der in der Elbphilharmonie messen – aber sie hat einen hohen energetischen Sanierungsstau. Deshalb freuen wir uns, dass das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen 75 Prozent der 4 Mio. Euro zur funktionalen und energetischen Sanierung fördert.

Die Dr. Uwe Harder-Stadthalle soll ein Beispiel für die energetische Sanierung von Kultureinrichtungen werden.

Wir als Stadt sind Eigentümer von über 200 Immobilien in der Stadt. Wir werden in den nächsten drei Jahren unsere Mittel in die Sanierung unserer Immobilien um 50 Prozent erhöhen. Wir werden in den nächsten zwei Jahren die öffentliche Beleuchtung in der Stadt auf LED umstellen und sie werden – sofern es die Lieferanten wollen – bald den ersten mit Wasserstoff betriebenen Müllwagen durch unsere Stadt schweben sehen.

Daher ist geplant, die Gesamtstrategie im kommenden Jahr fertigzustellen und der Ratsversammlung in der September-Sitzung 2023 zur Beschlussfassung vorzulegen.

Ich kenne noch nicht die konkreten Inhalte – aber eines bin ich mir sicher. Eine Strategie „Weiter wie bisher“ wird nicht ausreichen, wir werden gefordert sein, unseren Lebensstil zu ändern.

Klimaneutralität ist jedoch kein Thema, was Verwaltung und Selbstverwaltung alleine durch Beschlüsse und handeln erreichen kann – wir brauchen dazu auch Sie, wir brauchen die gesamte Zivilgesellschaft.

Deshalb freue ich mich, dass die Ratsversammlung im März 2022 die Einrichtung eines Klimabürgerrates als neue Form der Bürgerbeteiligung beschlossen hat.

Der Klimabürgerrat besteht aus 30 Personen, die den repräsentativen Durchschnitt der Stadtgesellschaft widerspiegelt. Sie wurden nach den Sozialparametern Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildungsabschluss ausgewählt.

In der ersten Sitzung des Klimabürgerrates am 19. November 2022 hat sich das Gremium mit dem Thema „Mobilität“ befasst. In der für Januar 2023 vorgesehenen Sitzung soll dann das Thema „Nachhaltiger Umgang mit Flächen“ diskutiert werden. Die Ergebnisse werden in einem Bürgergutachten festgehalten, das wir für unsere Arbeit sehr ernst nehmen werden.Mit dem Instrument des Klimabürgerrates erproben wir auch neue Instrumente der Bürgerbeteiligung.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein Thema, was nicht nur mich, sondern sicher die meisten der Anwesenden hier in 2022 bewegt hat, war das Thema Sicherheit in Neumünster.

Um bei dem Thema Sicherheit in Neumünster mit etwas Positiven zu beginnen: Es gab keine Bilder wie aus Berlin oder anderen Städten zum Silvesterabend.

Aber das Thema Sicherheit war und bleibt ein Thema für uns. Unser Problem in Neumünster war jedoch in 2022 ein anderes.

Für Sicherheit ist in einer Stadt keine einzelne Person zuständig – der Oberbürgermeister ist nicht der Sheriff der Stadt und Michael Knapp nicht der Deputy.

Richtig ist: Die staatlichen Behörden sind gemeinsam für die Sicherheit verantwortlich. Deshalb haben wir schnell die Verantwortlichen hier Neumünster zu einem Runden Tisch eingeladen und eine Strategie besprochen, wie wir die Lage wieder in den Griff bekommen. An diesem Tisch waren unser Ordnungsamt, die Sozialverwaltung, das Grünflächenamt, die Polizei, die Erstaufnahme und die Justiz. Ich bin froh, dass die vereinbarte Strategie erfolgreich war:

Die Polizei hat die Präsenz in der Innenstadt in dieser Zeit massiv erhöht. Der Begriff „Gefährlicher Ort“ mag unglücklich sein, aber das Ziel wurde erreicht. In Abstimmung mit den unterschiedlichen Behörden haben wir den Druck auf die Tätergruppe so erhöht, dass wir sie entweder dingfest machen konnten oder Neumünster für sie zu ungemütlich geworden ist. Aber unsere Aufgabe ist noch nicht erledigt.

Wir werden die Videoüberwachung auf der Klosterinsel im Frühjahr starten – denn die Klosterinsel soll wieder ein Erholungsort für alle Neumünsteranerinnen und Neumünsteraner werden und nicht ein Supermarkt für Dealer.

Auch an der Vicelinschule wird in naher Zukunft die Videoüberwachung starten.

Für die Innenstadt erwarte ich, dass das Polizeirevier Mitte in der Parkstraße im ersten Quartal endlich wiedereröffnet wird. Ich habe diese Erwartung noch vor Weihnachten persönlich deutlich gemacht, und mir wurde zugesagt, dieses Thema zur Chefsache zu machen.

Es gibt einen Tag in 2023, auf den ich mich besonders freue: Das ist der 22. März.

Am 22. März werden wir mit der Fachhochschule Kiel die Studierenden des Pflegestudienganges beim Erstsemesterempfang begrüßen. Die ersten 60 Neumünsteraner Studentinnen und Studenten.

Und da wir Neumünsteranerinnen und Neumünsteraner nicht nur begrüßen, sondern auch feiern können, wird ein Sommerfest folgen.

Meine Damen und Herren:

Auch bei diesem Thema hat sich gezeigt, was Zusammenhalt und Zuversicht erreichen können. Das ist ein Erfolg, für den viele hier in der Stadt jahrelang mühevoll gearbeitet haben und sich trotz mancher Rückschläge nie haben beirren lassen.

Mein Dank geht an die über 1.400 Unterstützerinnen und Unterstützer, die diesen Wunsch – manche nannten es Traum – Wirklichkeit werden ließen. Willkommen Fachhochschule Kiel in Neumünster.

Ein weiterer wichtiger Termin in 2023 ist der 14. Mai: Kommunalwahl. Es wird an diesem Tag eine neue Ratsversammlung gewählt. Es liegt somit in den Händen der Neumünsteranerinnen und Neumünsteraner, wer künftig an der Entscheidungsfindung beteiligt sein wird. Deshalb mein Appell:
Mischen Sie sich ein, diskutieren Sie mit über die besten Ideen für unsere Stadt. Denn Politik ist gerade in Kommunen nichts Abstraktes. Es sind konkret die Schule, der Kindergarten, der Fahrradweg. Und Politikerinnen und Politiker sind Ihre Nachbarn, die ihre Freizeit für die Stadt investieren. Nutzen Sie den Sonntag, den 14. Mai, um zu wählen.

Meine Damen und Herren, Zuversicht und Zusammenhalt waren die Prinzipien, die uns in der Vergangenheit geholfen haben, unsere Herausforderungen zu meistern.

Wir stehen auch weiterhin vor großen Herausforderungen, sei es die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Betreuung oder dem ab 2026 bevorstehenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung oder die Wiederbelebung unserer Innenstadt.

Aber ich blicke mit Zuversicht in das neue Jahr. Zuversicht, weil ich davon überzeugt bin, dass wir, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, diese und weitere wichtige Themen für die Stadt Neumünster angehen und meistern werden.

Dazu braucht Neumünster Sie, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Ohne Ihr ehrenamtliches Engagement würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren. Deshalb haben Sie sich zurecht vorhin alle in das Goldene Buch der Stadt eintragen dürfen. Vielen Dank.

Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen jetzt im Rahmen des Neujahrsempfangs einen schönen Abend mit anregenden Gesprächen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!